Von Sebastian Netzel und Dr. Christian Holzmann (Erstveröffentlichung im Deutscher AnwaltSpiegel, 30.08.2023)

Die bestmögliche Gläubigerbefriedigung in Insolvenzverfahren hängt bei mittleren und größeren Unternehmen in der Regel von der Fortführung des Unternehmens und des Ausgangs des M&A Prozesses ab. Zwar zeichnet sich derzeit ab, dass eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung auch durch die Liquidation eines Unternehmens nebst Ausproduktion möglich ist. Unabdingbar ist aber eine Betriebsfortführung im vorläufigen Insolvenzverfahren.

Wird über ein Unternehmen ein vorläufiges Insolvenzverfahren angeordnet, dauert es meist nur einen Wimpernschlag, bis die klassischen und sozialen Medien darüber berichten. Das kann unerwünschte Marktreaktionen auslösen und die Krise beschleunigen. Beschleunigt werden kann die Krise überdies durch nicht selten überforderte Geschäftsleiter, Reaktionen von Kunden, Lieferanten, weiteren externen Stakeholdern und der Belegschaft.

Eine gute Krisenkommunikation ist daher unabdingbar. Die Abstimmung dieser Kommunikation unter den Beteiligten ist in allen Phasen des Krisenprozesses von entscheidender Bedeutung für den Verfahrensausgang. Gelingt es Kunden und Lieferanten, Banken und Belegschaft in den ersten Tagen von einer Fortführung von Aufträgen, Weiterbelieferung, (echtes oder unechtes) Massedarlehen und anderem mehr zu überzeugen, werden die Grundvoraussetzungen für den Erfolg des Verfahrens geschaffen.

Die Insolvenzkommunikation umfasst alle Maßnahmen während des Insolvenzverfahrens – von der Antragstellung über das Einsetzen eines vorläufigen Gläubigerausschusses, die Gutachtenphase und die Insolvenzeröffnung bis zur Gläubigerversammlung und dem Schlusstermin. Endpunkt kann – je nach Zukunftsprognose und dem Erfolg der eingeleiteten Sanierungsmaßnahmen – entweder der erfolgreiche Turnaround und Fortbestand des Unternehmens oder die Liquidation und Auflösung der Firma sein.

Ausgangssituation

Beide Autoren des Beitrags haben jahrelange Erfahrungen in Betriebsfortführungen und sehen sich regelmäßig Versäumnissen in der Vorbereitung von Insolvenzantragsverfahren ausgesetzt. Ob diese Versäumnisse durch die Vorstände, Geschäftsführung oder Berater verursacht worden sind, mag dahingestellt sein. Es fehlt im Regelfall jedenfalls an folgenden aufgearbeiteten Themenbereichen sowie internen und externen Ansprechpartnern, welche (hier auszugsweise und nicht abschließend) ein zügiges Handeln nebst Sprachregelung verhindern:

  • Analyse der Krisenursachen
  • Sanierungsansatz und Zukunftsvision
  • Selbstkritik
  • Lieferantenspiegel nebst Ansprechpartner und Offene-Posten-Liste (OP – Liste)
  • Sicherheitenspiegel
  • Liste mit allen wesentlichen Ansprechpartnern für die Betriebsfortführung nebst Einschätzung der Handlungen der einzelnen Personen in der Krise

Im Ergebnis sind die meisten Unternehmen noch mit der Vergangenheit und sich selbst beschäftigt anstatt ein Insolvenzverfahren, in welcher Spielart auch immer, als Sanierungs- und Restrukturierungsinstrument für die Zukunft zu begreifen.

Sollsituation

Um ein Insolvenz(antrags)verfahren proaktiv zu betreiben, ist es erforderlich die unter Ziffer 1 skizzierten Informationen zusammenzustellen und abzustimmen, wer was wann wie sagt. Gleichfalls gilt es die Empfänger von Informationen zu identifizieren und zielgerichtet zu informieren, anzusprechen und zu überzeugen. Insolvenz(antrags)verfahren bedeutet Veränderung.

Insolvenz- und Restrukturierungskommunikation hat daher den Veränderungsprozess zu gestalten. Sie dient dazu, das Bewusstsein für die Notwendigkeit der Veränderungen in der Belegschaft, bei den Marktpartnern, Kapitalgebern und sonstigen Anspruchsgruppen zu schaffen, die einzelnen Schritte und Maßnahmen der Restrukturierung den Betroffenen und Beteiligten angemessen zu vermitteln und auch den Abschluss der Neuausrichtung kommunikativ zu begleiten.

Praktische Umsetzung

In der Vorbereitungsphase werden in einer zentralen Gruppe (vorläufiger Insolvenzverwalter, Geschäftsführung, leitende Angestellte, Interimsmanagement und gegebenenfalls  PR-Team) Ablauf-pläne entwickelt.

Wir erarbeiten in der Regel

  • fallbezogen und auf die Empfänger zugeschnittene allgemeine aber auch persönlichkeitsbezogene Muster- und Einzeltexte,
  • Frage-Antwort-Kataloge,
  • Sprachregelungen,
  • Storytelling nebst Hintergrundinformationen zum Sanierungsprozess.

Außerdem werden die involvierten Führungskräfte in Kommunikationsschulungen trainiert.

In der Bekanntgabe- und Umsetzungsphase erfolgt die interne und externe Kommunikation des Veränderungsprozesses auf Belegschaftsversammlungen, in Pressekonferenzen und vor allem in Einzelgesprächen sowohl telefonisch als aus vor Ort in Kunden-, Banken und Lieferantenrunden. Diese werden dokumentiert, besprochen und nachgehalten. Es werden die einzelnen Schritte und eingeleiteten Maßnahmen des Insolvenz- und Sanierungsmanagements transparent bis zum Abschluss der Maßnahmen verdeutlicht.

In Krisenzeiten ist das schnelle Erreichen eines soliden Maßes an Informationssicherheit für alle Beteiligten notwendig. Für den Unternehmenssprecher wie auch für den vorläufigen Verwalter gilt: Alles was er sagt, muss wahr sein. Er muss aber nicht alles sagen, was wahr ist. Wer Fehler verschleiert oder leugnet, rettet möglicherweise einzelne Personen, nicht aber das gesamte Unternehmen. Dies erfordert eine regelmäßige, transparente und partizipative Kommunikation.

Ergebnisse aus Erfahrungssätzen

Die wesentlichen Maßnahmen und Ergebnisse erfolgreicher Krisenkommunikation fassen wir wie folgt zusammen:

Mitarbeiter

  • Bei einer Unternehmensinsolvenz steht zumeist die eigene Existenzsicherung im Vordergrund.
  • Motor für den Aufbau eines neuen „Wir-Gefühls“ und für das Einfordern von freiwilligen Sanierungsbeiträgen durch Mitarbeiterversammlung (Fokus auf die Belegschaft).
  • Unternehmensleitung hat den Mitarbeitern auch das Gefühl zu geben, dass sie die Nöte der Belegschaft versteht.
  • Schriftliche Informationen sind allenfalls dann ratsam und zielführend, wenn bei einer weiter fortgeschrittenen Sanierung erste Erfolge zu melden sind.

Führungskräfte

  • Persönliche Einzelgespräche sind zu führen.
  • Zu dieser „Kernmannschaft“ muss ein besonderes Vertrauensverhältnis aufgebaut werden. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass diese Know-how-Träger das Unternehmen schon bei den ersten konkreten Krisensignalen verlassen.

Betriebsrat/Arbeitnehmervertretung

  • Sofern vorhanden – regelmäßig über den Sanierungsfortschritt informieren und in wichtige Kommunikationsmaßnahmen aktiv und frühzeitig einzubinden.

Hausbank

– Nimmt regelmäßig die Position des größten Altgläubigers ein.

– Erforderlich neben regelmäßigen Bankenpräsentationen ist die Vorstellung des Sanierungskonzepts und ein anschließendes, kontinuierliches Reporting.

Lieferanten

  • In der Krise ihrer Kunden geht es im Regelfall um Umsatzsicherung – manchmal aber auch um die eigene Existenz.
  • Die Rückgewinnung des Vertrauens der Lieferanten ist daher für den Fortgang des Geschäftsbetriebes im Krisenunternehmen von zentraler Bedeutung.
  • Um den Lieferanten ein umfassendes Bild über die Zukunftsaussichten des Krisenunternehmens zu vermitteln, sind beispielsweise Lieferantentage oder Einzelgespräche mit sogenannten A-Lieferanten ein geeignetes Kommunikationsmittel.

Kunden

  • Aufgrund von besonderen Abhängigkeitsverhältnissen empfiehlt sich grundsätzlich die Pflege von persönlichen Kundenkontakten (insbesondere zu Key Accounts) durch die Unternehmensleitung selbst mit transparenter Kommunikation.

Medien

  • Für den Sanierungserfolg ist auch eine vertrauensvolle Kommunikation mit den Medien von entscheidender Bedeutung. Nicht selten sind Krisenunternehmen der größte Arbeitgeber am Ort.

Vollständige Ausgabe Deutscher AnwaltSpiegel vom 30.08.2023 hier downloaden.

Die Autoren:

Sebastian Netzel, Rechtsanwalt und Partner, Frankfurt am Main

Dr. Christian Holzmann, Rechtsanwalt und Partner, Düsseldorf