Von Dr. Jan Markus Plathner und Dr. Christoph Morgen

Erstveröffentlichung in der JUVE Rechtsmarkt Ausgabe 02/2022

Trotz großer Befürchtungen und anderslautender Vorhersagen ist die Insolvenzwelle bisher ausgeblieben. Ob dies so bleibt, kann derzeit keiner vorhersagen. Wenn man allerdings den disruptiven Wandel in vielen Branchen betrachtet, könnte man daran zweifeln und sollte aus Unternehmenssicht zumindest die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass in bestimmten Branchen die Anzahl der Insolvenzen bzw. der Restrukturierungsfälle steigen wird. Dies könnte für viele Unternehmen Anlass genug sein, die Frage nach einem eigenen funktionierenden Risk Management Systemen im Falle von Restrukturierungs- oder Insolvenzsituationen von eigenen Kunden oder Zulieferern zu stellen.

DIE KRISE IM BLICK

Soweit die Insolvenz oder Krise eines Unternehmens aufgrund der mehr oder weniger einfachen Substituierbarkeit der Leistungen für Kunden oder Lieferanten keine Auswirkungen hat, beschränken sich die Probleme ggf. auf den Schaden in Form des eigenen Forderungsausfalls. Überall da, wo die Leistungen des betroffenen Krisenunternehmens unverzichtbarer und nicht zeitnah substituierbarer Bestandteil einer (unverzichtbaren) Lieferkette sind, steht man regelmäßig vor größeren Herausforderungen.

Es ist in der täglichen Arbeit manchmal überraschend, wie unzureichend Unternehmen auf eine Insolvenz oder Krise ihrer Zulieferer vorbereitet sind. Nicht nur das Erkennen von krisenbehafteten Unternehmen oder die Optimierung eigener Forderungen bzw. Sicherungsrechten, sondern auch der Impact auf das eigene Geschäft sind zu berücksichtigen.

Umso wichtiger das von der Krise betroffene Unternehmen für die eigene Lieferkette ist und umso schwieriger die erbrachte Leistung durch einen anderen Lieferanten (second source) ersetzbar ist, umso sensibler sollte das eigene Risk Management auf Krisenhinweise reagieren.

Jeder Sanierer, Eigenverwalter oder Insolvenzverwalter wird bei seinen Sanierungsbemühungen nämlich von allen Stakeholdern (Kunden, Banken, ggf. Lieferanten) Sanierungsbeiträge fordern, die ein vitales Interesse an dem Fortbestand des Unternehmens haben.

Grundsätzlich wird man in Branchen, die streng reglementierten Lieferketten unterliegen, eher dem Risiko ausgesetzt sein, dass solche Sanierungsbeiträge eingefordert werden. Allerdings gilt auch da der Grundsatz, dass eine gute Vorbereitung auf derartige Situationen unerlässlich ist.

BEISPIEL AUTOMOBILZULIEFERINDUSTRIE

In Insolvenzsituationen wird der Insolvenzverwalter oder die Eigenverwaltung Beiträge vom Kunden einfordern müssen, wenn er selbst aus der Fortführung des Betriebs zu hohe Verluste erwirtschaftet oder Liquidität benötigt. Das Szenario, dass der insolvente Zulieferer keine Teile mehr liefert, kann zu erheblichen Problemen bei eigenen Lieferverpflichtungen führen. Zur Vermeidung einer Störung in der Lieferkette wird dann regelmäßig eine sog. Fortführungsvereinbarung abgeschlossen, um die Kunden finanziell an der Fortführung zu beteiligen. Dies kann ggf. zu empfindlichen finanziellen Aufwendungen führen, die aber in vielen Fällen im Rahmen einer Insolvenz zum Schutze der Gläubiger nicht vermeidbar ist.

In krisengefährdeten Branchen mit starren Lieferketten sollten sich Unternehmen möglichst auf solche Krisensituationen vorbereiten, soweit sie das nicht ohnehin schon getan haben. Die Implementierung eines geeigneten Risk Managements Systems zählt dabei zu den wichtigsten Maßnahmen, damit Problemfälle frühzeitig erkannt werden und das eigene Unternehmen auf die eingetretene Krise/Insolvenz ausreichend vorbereitet ist. Dabei können zwar einige Aufgaben wie die Forderungs-anmeldung, das Geltendmachen von Sicherungsrechten (z.B. Eigentumsvorbehalte), der Beitritt zum Lieferanten-pool oder die Kommunikation mit der Insolvenzverwal­tung standardisiert werden.

Andere Themen wie der Abschluss einer Fortführungsvereinbarung oder die Forderung eines Krisen-unternehmens auf zusätzliche Zahlungen in einem Projekt trotz Überzahlungen im Hinblick auf den Leistungsfortschritt bedürfen regelmäßig einer vom Einzelfall abhängigen Überprüfung und Behandlung. Dabei kann es durchaus hilfreich sein, erfahrene Berater hinzuzuziehen.

FAZIT

Aufgabe des Risk Managements muss es sein, mögliche Krisenfälle frühzeitig zu identifizieren, alternative Liefer-beziehungen zu etablieren und in Fällen besonderer Abhängigkeiten bzw. mangelnder alternativer Lieferanten frühzeitig Krisenvorbereitungen zu treffen. In der eingetretenen Krise muss das Risk Management dann schnellstmöglich die weitere Aufrechthaltung der Liefer-beziehungen mit möglichst geringem finanziellen Aufwand sicherstellen – dabei hilft eine gute Vorbereitung auf diese Situation.

Jan Markus Plathner
Dr. Jan Markus Plathner
Partner, Rechtsanwalt, Frankfurt
Dr. Christoph Morgen
Partner, Rechtsanwalt, StB, Hamburg

Den Artikel als pdf können Sie hier downloaden.

Vollständiges E-Paper JUVE Rechtsmarkt 02/2022. (für Nicht-Abonennten kostenpflichtig)